TYPISCH! Klischees von Juden und Anderen

Jüdisches Museum Berlin. D. 2008

Jüdisches Museum Wien. A. 2009

Spertus Museum. Chicago. USA. 2009

«typisch! Klischees von Juden und anderen» ist eine Ausstellung über das Sehen, die Wahrnehmung, Ordnung und Zuordnung von Bildern und Dingen vom Fremden und vom Eigenen. Sie zeigt Gegenstände, Bilder, Fotografien und audiovisuelle Objekte, die Menschen darstellen oder etwas über Menschen aussagen sollen. Das heißt, sie beschäftigt sich mit Stereotypen.

Stereotype entstehen im Allgemeinen aus der Unkenntnis und der Angst vor dem Anderen, aus Unvorstellbarkeiten, Unerklärlichkeiten, Unverständlichkeiten, kurz: aus Furcht vor dem Nicht-Eigenen und in Abgrenzung zum Nicht-Eigenen. Stereotypen helfen, die Welt zu ordnen, sich selbst zu verorten, den Anderen einzuordnen. Positiv genutzt sind sie Hilfsmittel zur Charakterisierung des Anderen im Prozess der Positionierung des Selbst. Negativ genutzt sind sie Hilfsmittel zur Dämonisierung des Anderen im Prozess der Überhöhung des Selbst. Vor diesem Hintergrund stellt die Ausstellung «typisch!» zur Diskussion, wie sich Darstellungen typisierender Motive aus der bildenden Kunst zu Objekten aus der Trivialkunst verhalten und konfrontiert sie mit Arbeiten, die durch das Herausarbeiten von Paradoxien oder mit kritischer Ironie das Klischee in Frage stellen.

Stereotype bewegen sich in der Ambivalenz zwischen der Notwendigkeit zur Klassifizierung und Einordnung von Eindrücken aus der Umwelt und dem Bedürfnis urteilender Kontrolle. Die Ausstellung will aber auch Auswege zeigen, Möglichkeiten, die Klassifikation und Zuschreibung zu subvertieren. Denn so wie das Stereotyp nicht nur ein oktroyiertes, eine von Außen wie auch immer gestaltete oder formulierte Klassifizierung ist, so ist das Stereotyp auch eine Eigendefinition, ein Binnenbild vom Selbst, entstanden um sich in seinen als prägnantest angenommenen Charakteristika selbst zu versichern oder aber auch als Reaktion auf das Fremdbild. Und beide Stereotype, das von Außen sowie das von Innen geprägte werden in zunehmendem Maße immer wieder von Mitgliedern der Gruppe hinterfragt. Diese Hinterfragung erfolgt auf subversive Weise, indem das jeweilige Stereotyp radikal überzogen oder durch ein Gegenstereotyp konterkariert wird. In vielen Fällen kann sich aber auch die Subversion nicht vom Vorwurf der Überlieferung von Stereotypen freisprechen; sie verhilft lediglich, den Sachverhalt anders zu bewerten.

Wie der Titel schon verrät, beschäftigt sich die Ausstellung «typisch! Klischees von Juden und Anderen» nicht nur mit antisemitischen Vorurteilen. Da Antisemitismus und Philosemitismus nur eine Facette von Rassismus als «Konstruktion des anderen nach eigenen Wünschen und Vorstellungen» sind, wie es der Afrikanist Walter Schicho formulierte, werden in der Ausstellung durchwegs Parallelen aufgezeigt. So kommen auch Stereotype von Native Americans, African Americans, Aborigines, etc. vor. Diese weder systematisch erfassten noch umfassenden Parallelen sollen sowohl zeigen, dass jüdische und antijüdische Stereotype keine Ausnahmeerscheinungen sind, als auch den Besucher für das Thema Stereotyp, Fremdbild und Vorurteil in einem globaleren Sinne sensibilisieren. Besonders mit der Einbeziehung antiislamischer Stereotype wird auf die Aktualität unser aller Klischeedenken verwiesen und einmal mehr verdeutlicht, inwieweit wir sowohl in historisch gewachsenen als auch in tagespolitisch motivierten Vorurteilen gefangen sind.

Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Wien und dem Spertus Museum in Chicago.

Programmdirektion: Cilly Kugelmann

KuratorInnen: Felicitas Heimann-Jelinek, Hannes Sulzenbacher, Miriam Goldmann, Thorsten Beck

Presse

significans. skin marker

significans
Quelle: Franz Kimmel / Jüdisches Museum München

156 Hauttafeln. 40x40x3cm. Acryl auf MDF

skin marker – Mischungsverhältnisse und Rassismen

ein mobiles Farblabor der AG significans, Berlin

INTERNATIONALE MOBILE AKADEMIE, Volksbühne Berlin 2002

Belluard Bollwerk International, Fribourg-CH 2003

go create resistance, Deutsches Schauspielhaus Hamburg 2004

Jüdisches Museum, Berlin, München, Wien und Chicago 2008 – 2011

Die Künstlerinnen- und Aktivistinnengruppesignificans startete im Oktober 2002 anlässlich der INTERNATIONALEN MOBILEN AKADEMIE in der Berliner Volksbühne die Aktion skin marker.

Theatergäste wurden gebeten, in einer Laborkammer den exakten Farbton eines markierten Hautausschnitts am Unterarm anzumischen. Den Probanden stand eine Palette Acrylfarben und die Unterstützung einer Farbberaterin zur Verfügung. Der ausgetüftelte Farbton wurde sodann auf eine Probandentafel aufgemalt und die Farbmischungswerte digital analysiert. Das Berliner Theaterpublikum war eingeladen, über Kopfhörer den Gesprächen während des Anmischens im Farblabor zu folgen.

Können Sie Ihre Hautfarbe genau beschreiben? Gelingt es Ihnen, sie aus verschiedenen Grundtönen anzumischen? Sind Sie mit Ihrer Hautfarbe zufrieden? Welche Erlebnisse hatten Sie mit Ihrer Haufarbe? Unternehmen Sie etwas, um Ihren Hautton zu verändern, lassen Sie sich z.B. von der Sonne bräunen, falls Sie sich zu blass fühlen – Wie dunkel möchten sie dabei werden? Wann wär’s zuviel und warum? Denken Sie, dass Ihre Hautfarbe Ihre Chancen bei einem Bewerbungsgesprächen beeinflussen könnte? Haben Sie Freunde oder Bekannte, die eine andere Hautfarbe haben?…..Falls nein, warum nicht?

Anschließend wanderte skin marker nach Fribourg/CH zum Belluard Bollwerk International Festival BBI 2003 und 2004 zum Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, zum Themenabend Migration und Arbeit: go create resistance. Auf einer zufälligen Route quer durch Europa sollen weiterhin Hautfarbentafeln gesammelt werden, damit die Diskussion eine Kontinuität erhält:

Die Gespräche, die sich während des Anmischens entwickeln, geben Auskunft über Erfahrungen mit der eigenen Hautfarbe, über Wünsche, über Einschätzungen und Vergleiche mit dem Andersfarbigen. Nuancen unserer Selbst- und Fremdidentifizierung werden deutlich: Wertungen, die Freundschaften anzetteln und andere, die diskriminierend und rassistisch verletzen können. Gleichzeitig wächst eine brüchige Skala, ein zufälliger Querschnitt der verschiedenen Hautfarben, die uns in den Städten begegnen. Die Farbtafeln wurden erstmals 2003 im Fribourger Mottabad ausgestellt.

Die Malerei ist eine Zusammenfassung, ein stummes, visualisiertes Protokoll der Gespräche, die beim Anmischen stattfinden. Hautgeschichten also, die sich immer wieder aus dem kleinen, individuellen und intimen Rahmen wegschleichen und sich an Weltgeschichte andocken:

die Hautfarben des Welthandels, der Bruttosozialprodukte, der Moden, die Hautfarben eines kontinuierlichen Kolonialismus, des Landraubes, die Hautfarben des Beats, der Nobelpreisträger/innen, die Hautfarben der Behörden, der Schulhöfe, die Hautfarben nach der Wirtschaftskrise, Mischungsverhältnisse und Rassismen, darüber möchte significans weiter spekulieren.

significans existiert seit 1999. Künstler/innen, Kulturwissenschaftler/innen und Journalist/innen recherchieren über den Einsatz elektronischer Überwachungstechniken und biologistischer Identifizierungstechniken im Anwendungsbereich der Ausländerbehörden.

www.significans.de / hamacher.ch

Christiane Hamacher, Berlin/Bern-CH;   Carolina Kecskemethy, Lima und Berlin;   Barbara Meyer, Luzern und Berlin; Hanna Sjöberg, Stockholm und Berlin