WAVE

La Cabane Muntelier. CH. 2008

Christiane Hamachers ephemere Präsenzen

„Es soll für mich ein Experimentierfeld sein, ein Raum, in dem ich ausprobieren, ja wagen kann, was mir in einer sog. ordentlichen kulturellen Institution oder in der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit weniger möglich ist“ meinte Christiane Hamacher, als wir gemeinsam die kommende Ausstellung in Jean Nouvels rostiger „Cabane“ diskutiert haben – ein aus vergangenen EXPO.02-Zeiten stammender Pfahlbau resp. ein von Wasser, Wind und Wetter umgebener White Cube, der gezeichnet ist von minimalistischem Geist und sakraler Aura.

Die Künstlerin, aus Bern stammend, hat sich seit längerer Zeit im waadtländischen Vallamand niedergelassen und sich, im Umfeld von Michel Ritter, zu den Freiburger Kunstschaffenden gesellt. In diesem Zusammenklingen fand man ihr künstlerisches Schaffen – ihre Wandzeichnungen oder Wandmalereien – immer wieder im Umfeld der Kunsthalle Freiburg Fri-Art, aber auch in weiteren kulturellen Ausstellungsinstituten der gesamten Schweiz. Währenddessen Christiane Hamacher in ihren früheren Wandarbeiten eigenartige Gebilde aus den Sphären der Raumschifffahrt auf Reisen schickte, entwickelte sie in nachfolgenden Wandarbeiten spannungsgeladene, je explosive Situationen. Und zwischendurch, auf den ersten Blick fast unvermittelt anmutend, finden sich, skizziert mit wenigen, eindringlichen Strichen, Darstellungen von Menschen: „Fremde Menschen“, so auch ein Ausstellungstitel in der Stadtgalerie Bern aus dem Jahr 2003, Menschen, die sich auf Reisen befinden, in Erwartung einer neuen Situation.

Eine weitere Identität von Christiane Hamacher findet sich im Rahmen eines deutschen Kollektivs in der politischen Aktionsgruppe significans. Hier vertritt die Künstlerin, in enger Zusammenarbeit mit weiteren Künstlerinnen, expliziter als in ihren sogenannt freien Arbeiten, nicht nur eine politisch und sozial geprägte Auseinandersetzung mit der Gegenwart, sondern ein bewusstes Agieren im Strom des Geschehens. So werden bei significans soziale Aktionen und Vermittlungsprojekte mit künstlerischen Interventionen im alltäglichen, wie auch im institutionellen Umfeld vereint. Eine dieser Aktionen fand sich u.a. auch im Freiburger Alltag, im Rahmen des Festivals Belluard Bollwerk International vor 5 Jahren statt, wo interessierten Personen der Bevölkerung eine farbliche Analyse ihrer Hautfarbe erstellt wurde: monochrome Bilder als ästhetisches Produkt wurden der jeweiligen ethnischen Biographie zugeführt. In einer stark vom Inhaltlichen geprägten Recherche erscheint Christiane Hamachers visueller Beitrag jeweils als poetische Versinnbildlichung des zu untersuchenden Themenkomplexes.

Von der bedrohten Gletscherlandschaft (Einladungskarte) zu fliessendem Wasser, zur schäumenden, sich aufbäumenden Welle (Wandmalerei in der Cabane) mögen gewiss einige, schnelle Schritte führen – après moi (oder après nous) le déluge wäre da wohl eine primär einfache Lösungsformel zum Rätsel, das nicht zwangsläufig auf diese Weise entschüsselt sein muss, obwohl sie sich dazu anbieten könnte. Schliesslich besitzt die Gletscherwelt mit der hier vorhandenen Wandmalerei letztendlich wenig unmittelbare Bindung, obwohl sich das visuelle Spannungsfeld des Einen im visuellen Spannungsfeld des Anderen etwas wiederfindet: d.h. die Dynamik des Niedergleitens, des Fliessens, des Innehaltens und jene der Auflösung. Die Botschaft wurde verstanden und das Werk hat vordergründig seine gesellschaftliche Relevanz verdient.

Dennoch – der (oder mein) Fokus soll ein anderer sein: mich interessiert die malerische Auseinandersetzung in einem besonderen Raum, die farbliche und gestische Präsenz im weissen Umraum. Der Komplementärkontrast (rot-grün und gelb-violett) bildet in der Wandmalerei zentrales Fliessen, welches in chromatische Variationen weiterführt und nunmehr versucht, die Akzente und Tendenzen in unterschiedliche Bewegtheiten und Orientierungen einzubinden. Das Gehäuse, die sakral anmutende, in sich gekehrte Grundform bildet bei den empfangenden Klangkörper. Unter seiner Regie haben sich die Formationen zu entfalten, in seinem nicht nur visuellen Reich, sondern auch in seinem klanglich, jeweils je nach Wetterlage, unterschiedlich wahrnehmenden Raum vermitteln sich weitere Momente des Erlebens. Geprägt von diesem inneren und äusseren Umfeld geht die Künstlerin mittels ihrer farbigen Nuancierungen einen Schritt weiter: wo einst haptische schwarz-weiss-Malerei den Grundton des Ausbruchs bestimmte, führen neue Farbklänge hin zum Symphonischen. Hier entfaltet sich das Experiment, welchem sich Christiane Hamacher nach 5 Tagen intensiver Arbeit vor Ort stellen möchte und auf unsere / auf Eure Auseinandersetzung vor dem Werk und mit dem Ort wartet.

Im selben Universum der Cabane finden sich zugleich eine Reihe von Aquatinta-Drucken (es handelt sich um Einzelstücke), welche die Künstlerin erstmalig dem Publikum vorstellt. Ephemere Wolkenlandschaften erinnern einerseits an Christiane Hamachers Explosionsbilder – die Wolkenformationen nach der Detonation, die an Endzeit und zugleich Neubeginn erinnern, andererseits ist es das Bestreben der Künstlerin, mittels dieser seit Mitte des 18. Jh. geläufigen Tuschätzung, in Auseinandersetzung mit chemischen Prozessen und allmählich erworbenen Kenntnissen, unterschiedlichste malerische Qualitäten in diversen Dunkeltönen zu erreichen und diese in ein monochromes, allseitig bewegtes Universum zu verwandeln.

So stehen in diesem von Wind und Wasser umgebenen Gebilde zwei ephemere Zustände einander gegenüber – fliessendes Wasser und sich aufbäumende Welle einerseits, kraftvolle, stetig sich verändernde Wolkengebilde andererseits. Durch die Faszination in der wohl fast täglichen Erfahrung mit dieser Landschaft lotet Christiane Hamacher die Möglichkeiten der ausgewählten Medien aus und entführt uns in ihren suchenden Variationen zu weiteren Dimensionen des Erlebens.

Esther Juno 2008

Ausstellung LaCabane

Wallpainting. 20 Auquatinta-Drucke und ein Dia-Projektor.

Die Cabane mit ihrer Lage im See und der idyllischen Umgebung bildet die Hülle meines Arbeits- und Ideenkosmos. 

Ich werde während einer Woche in diesem Raum ein Wandgemälde entstehen lassen. Notizen, Entwürfe, Ideen sind in einem langen kontinuierlichen Prozess zu Hause bei mir im Atelier entworfen, gezeichnet und vorbereitet worden. 

Doch wird mich der Raum auffordern zu reagieren. Meine körperliche Präsenz, die Dimensionen dieses Raumes und meine Hand, die den Linien der Wirklichkeit auf meinen Vorlagen und damit den gemalten Konturen auf den Wänden nachfährt, lassen das Wandgemälde entstehen. 

Ein Arbeitsprozess, der kontrollierbar aber nicht vorhersehbar ist. Ich werde erst am letzten Tag vor der Ausstellungseröffnung meine Arbeit beendet haben. Dann wird das Wandgemälde da sein. 

Die Aquatinta Tiefdruck-Arbeiten sind in diesem Jahr entstanden. Das Pinselätzen auf einer Kupferplatte hat wiederum den gleichen Effekt wie der Arbeitsprozess an der Wandmalerei, dass ich, während ich daran arbeite, nicht sehe, wie der fertige Druck aussehen wird. Erst wenn die Kupferplatte auf der Druckwalze liegt und ich das Papier hebe, sehe ich, was ich gemacht habe. 

Jeder Druck ist ein Unikat. Ich bearbeite nach jedem Druckvorgang die Platte weiter.

Der Diaprojektor soll mit seinem schnellen Wechsel der gezeigten Fotographien aus meiner persönlichen Welt und Archiv Lichtirritationen auf die Wände werfen. Das Blitzen beim Wechsel der Bilder, soll in diesem Moment wo kein Bild projiziert wird und nur grelles, helles Licht erscheint, bei der BetracherIn ein Nachbild auf der Netzhaut erzeugen.

CH 2008